Stark Industries
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Xavier School
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"KNIGGE-WORKSHOPS haben Hochkonjunktur", läßt es der Zeitgeist aus irgendeiner seiner posaunenden Öffnungen verlauten. Und wer hinter dieser Meldung ein spätes Bollwerk gegen den Verfall vermuten möchte, der irrt. Der Zeitgeist höchst selbst rekrutiert nach Bedarf seine Statisten, ob aus Mitleid, schlechtem Gewissen oder vorsätzlicher Täuschung - wer weiß? Der Manierlichkeit, die nun mal kurz wieder in Mode kommt, ist, ihrer Substanz nach, nicht zu trauen. Viel mehr unbewußter Instinkt, als echte, willentliche Überzeugung gerät hier ins Spiel, unfähig, auch nur den Hauch eines ernsthaften Gegengewichts zu erzeugen. Die allgemein um sich greifende Verkommenheit scheint noch mal, wertlose Almosen über die verlorenen Terrains besseren Geschmacks und alten Stils verteilen zu wollen, wie sinnlose Tropfen auf die heißen Steine am Rande der Krateröffnung. Die letzten, altehrwürdigen Damen und Herren, am Vorabend des Unterganges, aus ihrer Distanz zum tobenden Wahnsinn einer ihnen immer unverständlicher werdenden Umwelt, sollen noch einmal Hoffnung schöpfen dürfen, vor dem Heimgang, in dessen Verlauf die Trauer immer mehr den Hinterbliebenen gebührt. KNIGGE-WORKSHOP - eine Totgeburt in sich - weniger noch als nur vergebliche Liebesmüh. Ein Zeitgeistprodukt, eine ausnahmsweise pseudoversöhnliche Laune der Widernatur. Ein Gnadenbrot ohne Nährwert am Sterbebett einer Generation, deren Leben, nebst den ertragenen Härten, noch Echtheit und Tiefe besaß. Boomende Workshops. Viele Berufene - keine Auserwählten. Viel Affekt und Buchstabensuppe zum letzten Abendmahl eines guten, untergehenden Tons.

 

Die Bögen sind gespannt, nun heißt es: gehen lassen, geschehen lassen. Den Irren, den Unfähigen, den Schlechtesten das Sagen, das Tun, das Handeln und Planen überlassen, sowie der Untergang sie nach oben beruft, um endlich in Fahrt zu kommen, im steilen Bergab der sich überschlagenden Dekadenzen, des tobenden Irreseins. Keinen Widerstand mehr leisten gegen all das, was der Weltgeist an Figuren, Komparsen und Abschaum zur Feier des Unterganges nach oben bestellt - tritt zur Seite, suche das Abseits, die Sonne oder den Ausblick auf die letzten verbliebenen Oasen höchster Geschmacklichkeit, echten Stils und ins Vergessen geratener Klasse. Den Gauklern und Unterhaltungskünstlern ein breites Spalier, den politischen Selbstdarstellern und amtierenden Selbstbedienern, den Vertretern der bunten Geschmacklosigkeit und den Nutten, die ihre Biographien noch schreiben möchten und dahinter das "Goldene Kalb aus Scheiße", an dem hier über Jahrzehnte geformt wurde, und dessen Gestank zum guten Grundton dieser Gesellschaft gehört.

 

Und hinter dem "Goldenen Kalb aus Scheiße" ein trojanisches Pferdegespann aus dem erweiterten Osten der USA, das unentwegt nach Zucker verlangt und ein Loblied auf den amerikanischen Sozialstaat zu singen weiß. Tritt zur Seite, such das Weite und laß dir von keiner streunenden Wahrsagerin die Zukunft Amerikas aus deiner Hand lesen, nicht für nur noch 20$, nicht für 10$ . Um keinen Preis. Weil diese Zukunft Amerikas nicht deine ist, weil dieses Amerika nicht mehr deins ist. Wenn andere die Heimat zu Markte tragen, dann tragen wir die Heimat im Herzen. Das einzige, was uns hier und heute zu tun bleibt, ist es, dafür zu sorgen, daß uns der gute Geschmack nicht abhanden kommt, der eigene Stil und der Gestus, mit welchem wir uns, vor allem auch äußerlich, von allem unterscheiden müssen, was unter dem Sternzeichen des Gewöhnlichen in die Welt entlassen wurde. Laßt uns den letzten, wirklich echten Äußerlichkeiten des Alten Amerikas huldigen, laßt uns die letzten Vertreter jener Fähigkeit sein, die der schönen Oberfläche das geheime Innere zu entlocken im Stande sind. Sucht Euch die besten Logenplätze, bestellt den teuersten und besten Kaffee, den güldensten Cognac und genießt die Aussicht auf ein brennendes Rom. Die Herrlichkeit des Alten Amerikas, mit den apokalyptischen Überblendungen des allgemeinen Untergangs.

 

Es gibt Oasen und Bastionen des erlesenen Geschmackes, wo die Tasse Kaffee ihre 10$ schon deshalb wert ist, weil der Oberkellner sein Amt im Bewußtsein eines Zeremonienmeisters vollzieht und für eine Kulturwelt einsteht, die längst schon von geilen Geizhälsen, Pfennigfuchsern, Schnäppchenjägern und Happy-Digits- Sammlern überlaufen und in die Breite getreten worden wäre, wenn sich dort für 4$ aus Eimern saufen ließe. Wem ein vortreffliches Glas Cognac in altehrwürdigem Ambiente, im Beisein einer hübschen Muse, mit Ausblick auf die antiken Äußerlichkeiten des Abendlandes, keine 25$ wert ist, der wird an jeder schönen Äußerlichkeit auch nur Oberfläche und Kunsthandwerk für sich entdecken. Es gibt Kunstobjekte, die durch und durch Stein, Bronze, Marmor und Holz sind, aber mit der Aura eines höheren Lebens umgeben sind, von welcher ein Gegengewicht tausender zufälliger Humanoider allenfalls träumen kann. Eine Marmorstatue MICHELANGELOS z.B. ist, obgleich aus Stein, eher göttlicher als rein materieller Natur und stellt unsre Menschlichkeit auf eine Weise in den Schatten, daß unsere Natürlichkeit nur noch als ein Gebrechen betrachtet werden kann. Natürlichkeit, das ist die große Ausrede all der Stillosen, die meinen, daß fehlende Ästhetik sich mit der Feststellung entschuldigen ließe, daß die menschliche Natur in ihrer ungeschminkten Ursprünglichkeit das Maß der Dinge sei. Natürlichkeit mag in naturellen Zusammenhängen von Wäldern und Wiesen eine romantisch authentische Gültigkeit besitzen, in Bezug auf den Mensch aber bedeutet mir die Natürlichkeit nichts weiter als eine Ausrede für Unästhetik, Steinzeitlichkeit, erdgebundenen Primitivismus, Gestank, Zerfall, Siechtum und Schlampigkeit. Wir dürfen uns nicht von der Ausrede verleiten lassen, daß blutige Geburtsprozesse oder der Tod in der Krebsstation ja doch natürliche Vorgänge seien. Das höhere Leben muß sich aus dem Unrat des tellurischen Morastes befreiend zur Sonne durchkämpfen, von wo das Blut, das uns anhaftet, der Staub der Welt, die Verkrustung dessen, was das organische Leben so mit sich zieht, zurück bleiben muß. Die Göttlichkeit, die ich erstrebe, liegt in der Sterilität der Dinge, nicht im Laboratorium des Lebens und der Welt, nicht eingebunden zwischen Gewürm und Kompost, dem Dschungel oder einem großstädtischen Abwassersystem. Nur das Destillat weiß ihr trunkenes Lied auf die Reinheit zu singen. Und der Geist eines guten Weinbrandes weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, daß wir allem Durcheinander der Säfte entkommen müssen, um wieder klar zu sehen. Ein guter Kaffee, ein unverwechselbarer Whiskey, eine Marmor- oder Bronzestatue weisen uns den Weg.